La Paz – Stadt des Frieden

La Paz – Stadt des Frieden

23. September 2023 0 Von Stefan Paschmann

Ein schöner Titel für eine Stadt, die uns außerordentlich gut gefallen hat. Der weltweit höchstgelegene Regierungssitz (Hauptstadt Boliviens ist Sucre) und gleichzeitig, die weltweit höchste Großstadt, umfasst zwei Stadtteile La Paz und El Alto. Vorstellen kann man sich diesen Stadtgiganten wie eine riesige Schüssel. Am Schüsselboden befindet sich La Paz (ca 1 Mill Einwohner) und den ausufernden Schüsselrand bildet das Altiplano, mit El Alto (ca 1, 8 Mll Einwohner). Dazwischen liegt ein Höhenunterschied von ca. 1000 m, ausgehend von den niedrigst gelegenen Stadtteilen auf 3200 m bis hoch zu 4100 m. ‘Unten’ in La Paz, ist es windgeschützter ist und durchschnittlich 6 – 10 Grad wärmer, daher stehen am Schüsselboden die Villenviertel, der Regierungssitz und das Handels- und Bank Zentrum, kurzum hier tummeln sich die Wohlhabenden. El Alto, der Schüsselrand dagegen ist wesentlich ärmer, aber auch mittlerweile viel größer als La Paz City.

Grandios ist der öffentliche Personennahverkehr in der Metropole organisiert, hoffentlich mit Vorbildcharakter für ander Großstädte weltweit. Auch Köln hat offensichtlich schon in diese Richtung gedacht. Hier in La Paz heißt es, Mi Teleférico (deutsch: meine Seilbahn) Die Firma Doppelmayr hat mit zunächst zehn Linien und ca. 30 Kilometern Gesamtlänge in La Paz und El Alto das weltweit größte städtische Seilbahnnetz gebaut und es soll noch weiter wachsen. In nur 18 Monaten Bauzeit wurde das Gondelprojekt 2014 eröffnet und befördert ca. 300.000 Menschen (ohne Skibekleidung und Wintersportausrüstung;-) täglich. Ich muss gestehen, dass ich auch immer beim verlassen und umsteigen reflexartig meine Ski gesucht habe – die Macht der Gewohnheit. Allerdings hat die Firma Doppelmayer die Banos (Toiletten) in ihren Gondelstationen vergessen – ein grober Planungsfehler oder Absicht?!

La Paz aus einer Gondel zu entdecken, über der Stadt schwebend, ist eine Sache, sie aber zu Fuß zu erkunden ist eine andere. Dafür wählten wir zwei mal die Red Cap Free-Walking Tour und hatten das Glück, uns vom gleichen Guide (Daniel) durch El Alto leiten lassen zu dürfen.
Er führte uns zunächst auf den Hauptfriedhof der Innenstadt (Cementerio). Bestattet werden die Verstorbenen dort in Grabfächern, die übereinander gestapelt in großen Grabhäusern zusammen gefasst sind. Frische Blumen werden regelmäßig von den Angehörigen gebracht und die Gräber sind mit Lieblingsgegenstände, oft auch mit Bildern der Verstorbenen verziert. Auf den Grabtafeln wird nur das Sterbedatum vermerkt, denn das Sterbedatum ist gleichzeitig das Gebutsdatum in ein neues Leben. Der Friedhof dient erstaunlicherweise auch als Kunstgalerien, denn die Kopfseiten der Grabhäuser werden als Flächen für Gemälde genutzt. Weltweit können hier Künstlerinnen einer Jury ihre Entwürfe zum Thema “Übergänge und Tod” einreichen und mit etwas Glück erhält die Künstler in eine Friedhofsvernisage.

Gondelnd ging es anschließend zum ultimative Flohmarkt-Erlebnis, des Feria 16 de Julio in El Alto jeweils Donnerstag oder Sonntag. Ich war sehr neugierig auf diesen riesen Markt, auf dem es nahezu alles zu kaufen gibt, was man sich vorstellen kann. Alltägliche Produkte, Obst, Gemüse, Kleidung, Werkzeug, Schrauben, Federn und Gabelstapler sind genauso zu haben, wie angeblich auch Kalashnikov-Gewehre. Von letzterem und vorletzten habe ich beim “Joggen” durch die Menschenmenge leider nichts gesehen. Denn laut Daniel war es nicht sicher auf dem Markt und wir sollten uns sehr vor den Taschendieben in Acht nehmen. Daher nicht stehen bleiben, den Rucksack vor den Bauch, Geld- und Wertgegenstände in dem Rucksack verstauen… und dann sollten wir uns noch vor geworfenen Babys vorsehen, ein beliebter Trick der Taschendiebe .. denn die Aufmerksamkeit ist dann beim fliegenden Baby und nicht beim Rucksack. Also ehrlich, fliegende Babys sind uns nicht untergekommen. …. genossen habe ich das Marktjoggen nicht… manchmal und an manchen Stellen ist Südamerika mit Vorsicht zu genießen, das haben wir leider auch schon erlebt.

Entspannter ging es auf der ‘Schamanenstrasse’ zu. Hier reihten sich viel ‘Büros’ von Wahrsagerinnen und Schamaneninnen an einander. Sprechstunden gab es von Montags bis Freitags – da wir an einem Sonntag dort waren, waren zahlreiche Schamaneninnen im wohlverdienten Wochenende. Schamaneninnen und Heiler*innen werden auch Yatiri genannt und entstammen dem Aymara Volk. Welche Probleme die Menschen auch immer plagen – egal. Yatiris können mit Hilfe von weißer Magie aus Kokablättern die Zukunft lesen und mit Hilfe anderer Ritual, Naturmedizin oder Zaubersprüchen jedes Zipperlein und jede grande Katastrophe in die Knie zwingen.
Jeder kann Yatiri werden vorausgesetzt er/sie hat einen Blitzschlag überlebt, denn nur der/die verfügt über die göttliche Reinheit eine solch verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Wenn diese hohen Zugangsvoraussetzungen mal nicht mittelfristig zum Fachkräftemangel führen – vielleich müsste man über Quereinsteiger nachdenken. Aber was ist dran’, wenn selbst Evo Morales mehrfach vor Regierungssitzungen die Dienste eines Yatiris aus El Alto in Anspruch genommen hat? Andererseits, was hat es ihm genutzt, sie haben ihn nicht wiedergewählt…

So fremd die Welt des Hexenmarkts und der Opfergaben für mich als Besucher sein mögen, ein bisschen hat mich die Zauberei und die rituellen Zeremonien auch in ihren Bann gezogen. Denn an einem Schamanen*innen Kiosk hatte ich plötzlich das Gefühl meinen beiden Söhne ein Stück Liebes – und Lebensglück kaufen zu wollen. Der Kauf war mit einer besonderen, seltsamen Stimmung und innerer Freude verbunden…

Und noch was schönes in La Paz kümmern sich Veterinäre um die Kastration und das Impfen der Straßenhunde .. ein weiteres Puzzleteil, das in die Rubrik ‘vorbildliches Verhalten’ passen würde.

Zum Schluss noch vor den obligatorischen Fotos, eine Film Empfehlung aus dem Bereich Kuriositäten – aber VORSICHT nichts für schwache Nerven! Daniel erzählte uns von einem Film, der zeigt, das alkoholkranke Menschen sterben können, wenn sie das wollen. Man gibt ihnen einfach so lange Alkohol bis sie sterben. Filmtitel: cementario de elefantes.
Und ganz neu, meine Musikempfehlung: Atavalpa Yupanqui